Die konkrete deutsche Gesetzgebung hinsichtlich der europäischen Urheberrechtsreform soll in Kürze verabschiedet werden. Ihr erinnert euch vielleicht: vor rund anderthalb Jahren waren die Themen Artikel 13, Artikel 17 und Uploadfilter in aller Munde. Seitdem scheint es ruhiger um das Thema geworden zu sein, der Schein täuscht allerdings. Organisationen wie z. B. SaveTheInternet und Politiker wie z. B. Julia Reda und Patrick Breyer kämpfen die ganze Zeit u. a. für ein offenes und ungefiltertes Internet und, für uns besonders wichtig, für eine urheberrechtlich sinnvolle Handhabung kreativer Fan-Werke aller Art.
Was ist das Problem speziell für Fan-Communities wie uns?
Das Problem für Fan-Fiction und Fan-Art in der aktuellen Fassung der deutschen Urheberrechtsreform, sollte sie mehrheitlich so angenommen werden, liegt im Detail. Ich zitiere aus dem Beitrag von Julia Reda zum Thema „Urheberrecht und Fan Fiction“:
Julia Reda, „Edit Policy: Urheberrecht und Fan Fiction“ (10.05.2021 auf heise.de)
Die Bundesregierung versucht, das Recht auf Karikatur, Parodie und Pastiche im Gesetzgebungsverfahren unzulässig einzuschränken. Entgegen den Vorschriften der EU-Richtlinie sieht der deutsche Gesetzesentwurf in § 51a nämlich vor, dass Karikaturen, Parodien und Pastiches nur dann erlaubt sein sollen, „sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist“. Was der „besondere Zweck“ von Memes oder Fan Fiction sein soll, konnte das federführende Justizministerium indes auf Nachfrage nicht beantworten und verwies darauf, dass das in Zukunft die Gerichte klären sollen.
Fan-Fiction und Fan-Art gelten im weitesten Sinn als Pastiche und werden in der Gesetzgebung wahrscheinlich als solche behandelt werden. Einen „besonderen Zweck“ wird aber höchstwahrscheinlich niemand von uns nachweisen können, zumindest nicht im gesetzlichen bzw. urheberrechtlichen Sinn. Sie stellt die Unzulänglichkeit der speziell deutschen Gesetzgebung auch deutlich dar:
Julia Reda, „Edit Policy: Urheberrecht und Fan Fiction“ (10.05.2021 auf heise.de)
Die EU-Richtlinie zum Urheberrecht ist unmissverständlich: Karikaturen, Parodien und Pastiches müssen legalisiert werden, und zwar ohne Abstriche. Der deutsche Gesetzgeber muss aufhören, sich neue Einschränkungen einfallen zu lassen, um die europarechtswidrige freie Benutzung wieder aufleben zu lassen – mit all den Unsicherheiten, die sie für Fan Fiction und andere Formen der Internetkultur bietet. Mit ihrem Vorschlag ignoriert die Bundesregierung nicht nur das Europarecht, sondern auch die Interessen der zahlreichen Kreativen, die ihre Fan Fiction kostenlos der Allgemeinheit zur Verfügung stellen.
Lest euch ihren Artikel bitte einmal kurz durch, falls euch der ganze Kontext interessiert.
Warum sind wir alle gerade jetzt gefragt und sollten noch einmal aktiv werden?
Für die deutsche Rechtssprechung befindet sich die Urheberrechtsreform momentan in einer heißen Phase. Die haben wir als Plattform leider ein wenig verpennt. Corona und die Trackingreform bei Apple und Googe haben uns abgelenkt. Asche auf unser Haupt. 😷😬
Aber es ist noch nicht zu spät. Voraussichtlich Ende der Woche soll im Bundestag die aktuell vorliegende Fassung der Urheberrechtsreform inkl. der oben erwähnten Unzulänglichkeiten verabschiedet werden. Das ist zwar noch nicht das Ende der Fahnenstange, aber doch ein recht großer Meilenstein in der Reform. Daher ist jetzt ein sehr guter Zeitpunkt, die uns als Bürger zur Verfügung stehenden Mittel der Demokratie zu nutzen, um die verantwortlichen Politiker noch einmal eindringlich auf die Konsequenzen einer Reform in der aktuellen Fassung hinzuweisen.
Ich habe mich dazu heute online mit ein paar von den tollen Leuten von SaveTheInternet getroffen (vielen Dank auch an Blizz-chan für die indirekte Vermittlung). Von ihnen habe ich viel Motivation und Tipps erhalten. Wir möchten euch daher ausdrücklich ermutigen, von euren demokratisch verankerten Rechten Gebrauch zu machen und eure gewählten Vertreter diesbezüglich zu kontaktieren.
Was soll ich schreiben/sagen?
Am besten lasst ihr euren gewählten Vertreter einfach wissen, was euch zum Urheberrecht auf der Seele liegt und was euch persönlich Sorgen bereitet. Politiker sind (in den allermeisten Fällen) ganz normale Menschen, denen eure Sorgen durchaus nahegehen und die über so manche Sachen noch einmal gründlicher nachdenken, sobald sie von direkt Betroffenen erfahren, was eine bestimmte Gesetzgebung für sie bedeuten würde. Scheut euch nicht, ihnen eure Sorgen mitzuteilen. Das ihr zum Beispiel:
- euer liebstes Hobby bedroht seht
- eure künstlerischen Ambitionen nur noch privat ausführen könnt, ohne Chance auf öffentliche Anerkennung oder Kenntnisnahme im Internet
- Fan-Fiction und Fan-Art für die Orginalwerke keine Gefahr und Abwertung, sondern im Gegenteil eine Wertschätzung und eine Erhöhung des Wertes und der öffentlichen Wahrnehmung darstellen
- Schreiben oder Zeichnen nie (so gut) gelernt hättet, wenn es öffentliche Plattformen für Fan-Fiction und Fan-Art nicht gäbe
- ihr nicht versteht, warum das deutsche Urheberrecht Fan-Werke einschränken will, obwohl die Vorlage der EU sich gegen eine solche ausgesprochen hat
Versucht aber bitte, euch möglichst kurz und knapp zu fassen, um euren Standpunkt darzulegen. Je länger eure Mitteilung wird, desto unwahrscheinlicher wird sie vollständig zur Kenntnis genommen. Bleibt auch bitte sachlich und freundlich, mit aggressiven oder panischen Mitteilungen kann niemand gut und konstruktiv umgehen, auch Politiker nicht. Wenn ihr wollt, schreibt am besten auch immer gleich am Anfang, wer ihr seid und wo ihr wohnt (also z.B. „ich bin Maria, Germanistik-Studentin aus Heidelberg“). Das schafft etwas Nähe und persönlichen Bezug zum Abgeordneten, der in diesem Fall für Heidelberg zuständig ist.
Falls ihr euch nicht zu einer direkten Nachricht durchringen könnt, schreibt doch euer Anliegen als ganz kurzen One-Shot. Zum Beispiel eine kleine Fabel, was passiert, wenn man nicht mehr das mit Anderen teilen kann, was einem das liebste Hobby geworden ist. Oder wie Niemanden mehr das Buch von Peter X oder die 5. Staffel von „Eine tolle Serie“ interessiert, weil es keine Fan-Fiction dazu gibt. Nur so ein Gedanke (danke an Ethnol0ge von SaveTheInternet für die Idee).
Wie finde ich heraus, wen ich wie kontaktieren kann?
Hier findet ihr bei SaveTheInternet zwei gute Möglichkeiten, um die für euch verantwortlichen Abgeordneten zu finden und zu kontaktieren (Abschnitt „Wer ist mein Abgeordneter im Bundestag und wie erreiche ich den?“ aufklappen). Auf Grund des Zeitdrucks raten wir zu einer E-Mail oder einem Anruf. Wer ein Fax verschicken kann, kann auch das nutzen. Briefe per Post dürften etwas knapp werden, aber sind natürlich trotzdem eine Option, falls ihr das bevorzugt.
Was kann ich noch tun?
Wie von mir schon einmal in einem früheren Blogbeitrag erwähnt, hat die „Organization for Transformative Works“ eine Petition bei change.org gestartet. An der solltet ihr euch auch unbedingt beteiligen und diese unterschreiben: „Petition zu Rechtssicherheit für Fanfiction in der Urheberrechtsreform„.
Teilt die Petition und auch diesen Blogbeitrag hier ruhig überall, wo ihr mit anderen Kreativen Fans Kontakt habt.
Wir sind keine nerdige Randerscheinung. Wir sind viele – und das sollten wir auch zeigen. Kämpft mit uns für freie und ungefilterte Fan-Werke. Kontaktiert eure Abgeordneten und zeigt ihnen, dass es euch gibt. 🙋♀️🙋♂️
Rückmeldungen, Anmerkungen und Diskussionen zu diesem Blogbeitrag findet ihr in unseren Kanälen bei Reddit und Twitter sowie in unserem Forum.